Das Orgacid-Gelände in Halle, ehemaliger Produktionsstandort für chemische Kampfstoffe, soll erneut untersucht werden. Das geht aus der Antwort der Landesregierung auf eine aktuelle Anfrage des CDU-Landtagsabgeordneten Thomas Keindorf im Landtag hervor. „Auch aus meinen Gesprächen mit der Landesregierung nehme ich mit, dass die Bereitschaft zur Beseitigung möglicher Schadstoffquellen auf dem gesamten Gelände 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges grundsätzlich vorhanden ist. Für die Stadt Halle können sich damit neue Perspektiven bei der Gewinnung gewerblicher Flächen eröffnen“, ist Keindorf zuversichtlich.
Gegenwärtig erfolgt eine Neubewertung des gesamten Geländes. Dazu gibt die Stadt Halle aktuell eine historisch-genetische Studie, eine Art Aktenrecherche, in Auftrag. Diese kann helfen, potentielle Belastungsschwerpunkte auf dem Gelände zu identifizieren. „Das ist ein wichtiger erster Schritt, bevor eine Detailuntersuchung des Geländes nach der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung zu erwägen ist. Warum die Stadt Halle in der Vergangenheit entgegen der üblichen Praxis auf die Durchführung dieser Studie bei der Erstbewertung verzichtet hat, lässt mich etwas ratlos zurück“, ergänzt CDU-Stadtrat Johannes Streckenbach. Die für die Durchführung der Studie benötigten Mittel hat der Stadtrat bereits Anfang dieses Jahres im Haushalt eingestellt.
Bei Untersuchungen des Grundwassers im Gelände-Abstrom in den Jahren 2018 und 2019 wurde festgestellt, dass die Geringfügigkeitsschwellenwerte für Lost-Abbauprodukte und Arsen im Grundwasser überschritten werden. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass ökotoxische Wirkungen auftreten können und die Anforderungen der Trinkwasserverordnung oder entsprechend abgeleiteter Werte nicht eingehalten werden. Abweichend von bisherigen Darstellungen kann eine am Standort befindliche Grundwasserreinigungsanlage den Schadstoff-Abstrom vom Orgacid-Gelände nur teilweise unterbinden. Tatsächlich hinterfragen beide Politiker den Umgang der Behörden in der Vergangenheit mit einer der größten Produktionsstätten für chemische Kampfstoffe in einem Wohngebiet in Deutschland: Weshalb wurden die Auswirkungen umweltschädigender Abbauprodukte auf das Grundwasser nicht in die Erstbewertung einbezogen? In welchem Umfang fanden tatsächlich zielgerichtete Probenahmen statt? Aus welchem Grund wurden die Nachsorgekontrollen 2005 trotz statischer Überprüfungen und Formulierung von Bedenken im Bunkerbereich eingestellt? Welche Konsequenzen ergeben sich aus den dokumentierten Arbeitsunfällen bei Erdarbeiten? „Ein einfaches “Weiter so“ kann es nach unserer Auffassung nicht mehr geben“, so die beiden Politiker.