Zur Gestaltung des Strukturwandels im Rahmen des Kohleausstiegs sollen Fördermittel für weitere Projekte in Halle beantragt werden. Dazu hat der Stadtrat Halle in seiner Juli-Sitzung einen Beschluss gefasst. Die Revitalisierung des Orgacid-Geländes als Teil eines klimaneutralen Gewerbegebietes wird dabei über Parteigrenzen hinweg befürwortet, eine Prioritätenliste über die Umsetzung der zusätzlichen Projekte erarbeitet die Verwaltung bis September. Die Grundlage für die Revitalisierung des mengenmäßig mit Abstand größten Produktionsstandortes (Lost) für Chemiewaffen im Zeitraum von 1914 bis 1945 in Deutschland bilden die Ergebnisse einer aktuellen Studie (HGR/HE), die die Stadt vor einem Jahr in Auftrag gegeben hatte. Auf Druck des CDU-Landtagsabgeordneten Thomas Keindorf hat die Stadtverwaltung eine Kurzfassung der Studie veröffentlicht. „Anhand der Ergebnisse lässt sich weiterer Handlungsbedarf ableiten. Eine Verunreinigung des Grundwassers mit toxischen Stoffen (Neben- und Abbauprodukte der Lost-Produktion) ist dokumentiert. Die Lokalisierung des Schadstoffeintritts in das Grundwasser ist mangels geeigneter Messstellen jedoch unmöglich“, fasst Keindorf zusammen.
Eine fehlende Sicherung des Grundwassers in der Vergangenheit vor Kontaminationen mit Lost-typischen Verbindungen wird auch von CDU-Stadtrat Johannes Streckenbach kritisiert: „Zwar wird seit 2007 am Standort das Grundwasser in einer Anlage zur Behebung des LHKW-Schadens (Leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe) der ehemaligen Ammendorfer Plastwerke gefiltert. Allerdings blieben hierbei Schadstoffe, die dem Orgacid-Gelände zuzurechnen sind, bis 2018 unberücksichtigt. Auch werden die Grundwasserfließverhältnisse am Standort durch den Betrieb der Anlage signifikant verändert.“
Die jährlichen Betriebskosten der Anlage belaufen sich nach Angaben der Landesregierung auf 152.000 Euro. Über 4 Mio. Euro hat das Land Sachsen-Anhalt in die Sanierung des LHKW-Schadens bisher investiert. Nach Einschätzung des Landtagsabgeordneten ist es erforderlich, die Einzelmaßnahmen vor Ort zu bündeln und aufeinander abzustimmen. „Die weiteren Maßnahmen zur Entwicklung eines klimaneutralen Gewerbegebietes gehören in eine Hand. Neben der Entwicklung des RAW-Geländes und dem „Star Park II“ als Leuchtturmprojekte sehe ich hier die größten, nachhaltigen Potentiale für die Stadt Halle und die Region.“
Die Stadt Halle hat angekündigt, im IV. Quartal 2021 eine Detailuntersuchung mit Gefährdungsabschätzung zur Bewertung des Handlungsbedarfs zu beauftragen. Bund und Land haben mit dem Investitionsgesetz Kohleregion (InvKG) und der entsprechenden Förderrichtlinie die Voraussetzungen für Planung, Erwerb, Bodensanierung und Herrichtung von Flächen für Unternehmen geschaffen.